Wenn genähte Schuhe bei uns zur Reparatur kommen, wird in unserer Schuhmacherei meist eine von zwei Maschinen verwendet:
Die Doppelmaschine oder die Durchnähmaschine.
Zwar gibt es viele Arten, genähte Schuhe zu machen („Macharten“), bei der Sohlenreparatur aber kommen hauptsächlich diese beiden Nähmaschinen zum Einsatz. Gelegentlich auch die Handnaht.
Wie Sie die beiden Arten unterscheiden können und welche Reparaturen in Frage kommen wollen wir Ihnen hier etwas näher bringen.
Bei manchen Schuhen ist die Naht auf der Sohle gut ersichtlich (siehe Bild), bei anderen hingegen so tief geschützt im Leder versenkt, das sie, wenn überhaupt, erst nach Ablaufen der oberen Lederschicht zum Vorschein kommt. Doch es gibt weitere Erkennungsmerkmale:
Mit der Doppelnaht wird bei rahmengenähten Schuhen die Laufsohle an den Rahmen genäht.
Die meisten rahmengenähten Schuhe verfügen über eine 5-5,5 mm starke Laufsohle aus hochwertigem Bodenleder, weil diese Machart genau dadurch ihre grössten Vorteile ausspielt.
Die (Doppel-)Naht garantiert, das auch dicke Ledersohlen sich – auch über einen langen Zeitraum – nicht vom Schuh ablösen. Der Rahmen schützt das Oberleder gleichzeitig vor Stoßverletzungen.
Dickere Ledersohlen bieten unbestreitbare Vorteile, denn je dicker die Ledersohle, desto...
Geklebte Schuhe verfügen meist nicht über Ledersohlen, deren Stärke über 3-3,5 mm hinausgeht, denn erfahrungsgemäß lösen sich dickere geklebte Sohlen vor allem an der Spitze oder im Ballenbereich früher oder später ab. Aus diesem Grund werden bei rahmengenähten Schuhen mit gedoppelter Zwischensohle und aufgeklebter Laufsohle diese mit Messingnägeln (Rivets) gestiftet.
Je nach Hersteller und / oder Modell, wird entweder die komplette Sohle rundum vernäht oder die Naht „von Absatz bis Absatz“ ausgeführt, oft um den Fersenbereich der Sohle und die Absatzbreite gestalterisch zu verschlanken. Während die Sohle gerade im Ballenbereich flexibel und dadurch den Abrollbewegungen folgen soll, ist der statische Absatzbereich des Schuhes für den Auftritt fest gebaut und dafür zusätzlich mit Nägeln fest mit dem Schuh verbunden. Daher kann die Naht, muss aber nicht, auch um den Absatz herum verlaufen.
Bei besonders fein gearbeiteten rahmengenähten Schuhen gehörte es schon immer „zum guten Ton“, die Stiche möglichst eng zu setzen und / oder die Doppelnaht auf der Sohle möglichst unsichtbar im Riss tief in die Ledersohle einzuarbeiten.
Die Doppelnaht kann von oben betrachtet auf dem Rahmen aufliegen oder – wenn die Stärke/Dicke des Rahmens dies zulässt – sogar im Rahmen versenkt sein.
Die Doppelnaht kann auch „gestuppt“ sein. Heute ehre historische Ehrenbezeugung, wird dabei ein Linienmuster in das Leder geprägt, das bei handgenähten Schuhen als Vorzeichnung für gleichmäßigen Abstand der Stiche sorgte.
Das Bild zeigt das Hand-Werkzeug, den „Stupper“, mit dem der Rahmen vor dem Handdoppeln markiert wurde. Bei diesem Schuh ist die Doppelnaht zusätzlich in einem Riss im Rahmen fast nicht sichtbar versenkt.
Von Innen ist beim rahmengenähten (Goodyear-Welted) Schuh im Vorfuß keine Naht zu sehen. Bei tatsächlich mit der Brandsohle vernähten Rahmen (meist handgearbeitet) sind kleine Wölbungen im Abstand der Stiche zu sehen.
Varianten: Bei mit der Durchnähmaschine angenähten Rahmen ist innen die Durchnähnaht zu sehen. Wenn Sie innen keine Naht sehen, kann eine vorhandene Naht auch von einer eingearbeiteten Decksohle verdeckt sein. Für die Reparatur ohne Bedeutung, die Befestigung der neuen Sohle geschieht auch hier mit der Doppelmaschine.
Im Vergleich zur Durchnähnaht liegt die Doppelnaht näher am Sohlenrand und ist mit engeren Stichabständen durchgeführt. Wie jede Sohlennaht, sollte auch die Doppelnaht nicht „auf“ sondern „in“ der Sohle liegen, um die Naht möglichst lange vor dem Durchlaufen zu schützen.
An stark beanspruchten Stellen ist das Ablaufen der Nähte früher oder später unvermeidlich. Interessanterweise („Grau, teurer Freund, ist alle Theorie/Und grün des Lebens goldner Baum“) fällt die Sohle dennoch nicht ab. Und das wohl aus mehreren Gründen.
Die Ledersohle ist nach einiger Zeit weichgelaufen (eingelaufen). Dadurch folgt sie bereitwilliger den Abrollbewegungen des Fußes, wodurch die Zugkräfte am Rahmen verringert werden.
Zudem wird die Sohle nicht nur durch den Nähfaden selbst gehalten, sondern auch durch den „Knoten“ zwischen Oberfaden und Unterfaden, der auch bei teilweise abgelaufenem Unterfaden immer noch wie ein „Anker“ wirkt.
Zusätzlich sind die Sohlen verklebt, allein schon um das früher gefürchtete „Knarren“ der Schuhe zu vermeiden. Die Klebung sorgt zusätzlich dafür, das die nun schon weich gelaufene Sohle sich nicht ablöst.
Bei rahmengenähten Schuhen und Ihren Varianten werden durchgelaufene Nähte
bei der Neubesohlung mit der Doppelmaschine erneuert.
Die maschinelle Naht hat sich beim Kunden sowohl bei der Herstellung als auch in der Reparatur gegenüber der handgedoppelten Variante durchgesetzt, da sie weitaus günstiger ist. Und das schon früh, wie der Blick in die Werkstatt meines Großonkels aus dem Jahre 1936 zeigt.
Die schon damals verwendete Doppelmaschine ist im Konstruktionsprinzip fast baugleich mit der bei uns auch heute noch verwendeten Reparatur-Doppelmaschine.
Sie wurde speziell für die Reparatur entwickelt, da sie sich gut an verschiedene Rahmenausführungen, Randabstände, Stichabstände, Materialien und Sohlenstärken anpassen lässt. Zudem wird – im Gegensatz zur Industrie-Doppelmaschine –„von oben“ genäht. Der Schuhmacher hat also den vom Sohlennäher des Herstellers angebrachten Verlauf der Doppelnaht immer vor Augen und kann so dem von oben sichtbaren Verlauf der Naht folgen.
Noch genauer - aber ebenfalls nicht mit dem Original identisch - ist auch heute noch das Doppeln mit der Hand. Dazu werden vor dem Doppeln zusätzlich alle alten Stiche entfernt. Bei vielen Schuhen geht das recht einfach, bei manchen Schuhen ist es sehr zeitintensiv, bei manchen Schuhen wiederum leider gar nicht möglich, ohne den Schuh zu beschädigen. In diesem Fall sollte man auf die Handnaht dann sogar verzichten. Preise können wir für handgedoppelte Sohlen nur nach Begutachtung des Schuhes, des Zustandes und Abschätzung des Aufwands angeben.
Nach dem Entfernen der alten Stiche wird die Sohle aufgebracht und der Riss nach Art des Herstellers, nur eben von Hand, in die Ledersohle eingearbeitet. Dann folgt gegebenenfalls die Anfertigung des Pechdrahtes, des Nähfadens. Wenn diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, wird Stich für Stich in den alten Löchern des Rahmens die neue Doppelnaht von Hand genäht. Die restlichen Arbeiten entsprechen dann wieder denen der maschinellen Reparatur.
Der Aufwand beträgt ein Vielfaches der Zeit, die die Maschine für die Doppelnaht benötigt und lässt die Reparatur je nach Preislage des Schuhes unter Umständen sogar teurer werden als eine Neuanschaffung.
Nur die wenigsten Schuhträger können sich daher, damals wie heute, für diese Art der Reparatur und die damit verbundene längere Fertigungszeit und höheren Kosten begeistern.
Beim Durchnähen werden (Lauf-)Sohle, Schaft, Futter und Brandsohle in einem Arbeitsgang mit einer Naht verbunden.
Diese Nähtechnik war vor ca. 1850 – der Erfindung der Durchnähmaschine (Blake) – völlig unbekannt und machte damit eine revolutionär neue Machart möglich.
Die durchgenähte Machart bietet dem Hersteller den Vorteil, alle Komponenten in einem Arbeitsgang miteinander zu vernähen.
Das bringt in dieser Ausführung aber zwei Nachteile mit sich:
Beim Durchgenähten Schuh sind von oben gar keine (Durchnäh-) Nähte zu sehen.
Varainten: Gibt es reichlich, kurzgesagt: was immer auch aussen zu sehen ist:
Ist der Schuh Innen und Unten (eventuell verdeckt) über dieselbe Naht mit identischen Stichabständen vernäht,
ist es ein klassisch „durchgenähter“ Schuh.
Beim durchgenähten Schuh sehen Sie im Vorfußbereich die Naht der Durchnähnaht. Stichabstand und Lage sind identisch mit der auf der Sohle eventuell ebenfalls sichtbaren Durchnähnaht. Haben die Stiche auf der Laufsohle einen anderen Abstand oder eine andere Lage (weiter aussen) wird es sich um die Stiche der Doppelnaht handeln. Sind keine Stiche sichtbar, sind diese entweder im Riß versteckt oder die Sohle ist auf eine durchgenähte Zwischensohle geklebt worden.
Beim durchgenähten Schuh ist die Durchnähnaht auf der Sohle selten sichtbar, da diese Ur-Konstruktion wegen Ihrer Nachteile nur selten so ausgeführt wird. Wenn sichtbar (siehe Bild), dann liegt die Naht im Vergleich zur Doppelnaht weiter vom Sohlenrand entfernt und wird im Vergleich zur Doppelnaht mit größeren Stichabständen durchgeführt.
Auch die Reparatur so auszuführen hat zwei Nachteile:
Der Stichkanal geht wieder komplett durch den Schuh.
Zudem sind die alten Stiche beim Nähen nicht sichtbar, es kann nicht in die alten Stiche genäht werden. Das wiederholt sich bei jeder Reparatur, die Brandsohle wird so immer weiter perforiert.
Bei den meisten durchgenähten Schuhen liegt die Durchnähnaht schon versteckt in einem Riss oder unter der – dann aufgeklebten oder angedoppelten – Laufsohle, um dem schnellen Eindringen von Wasser vorzubeugen.
Bei der Reparatur von durchgenähten Schuhen erneuern wir die Naht nach Möglichkeit unter der dann aufgeklebten Laufsohle.
Das bietet mehrere Vorteile:
Bei Durchgenähten Schuhen und Ihren Varianten werden durchgelaufene Nähte
bei der Neubesohlung mit der Durchnähmaschine erneuert.
1911 gelang es Francesco Rampichini erstmals, einen Klebstoff zu entwickeln, der Leder dauerhaft verkleben konnte. Dieser neue Kleber, vor allem die damit verbundene neue AGO-Machart, setzte sich durch und löste die bis dahin weit verbreiten holzgenagelten und rahmengenähten Schuhe nach und nach ab.
Ganz verschwunden sind genähte Schuhe jedoch bis heute nicht, denn sie bieten gegenüber geklebten Schuhen immer noch unschätzbare Vorteile. Neben weiteren genähten Macharten und Varianten, wie z. B. flexibelgenäht, zwiegenäht oder trigenäht finden Sie heute bei genähten Schuhen vor allem durchgenähte und rahmengenähte Schuhe.
Material: Eine genähte Machart stellt ganz allgemein gewisse Grundbedürfnisse an die Qualität des Materials, denn minderwertiges Material würde beim Nähen reissen. Manche Materialien lassen sich zudem gar nicht dauerhaft verkleben: Pferdelederschuhe werden daher eigentlich immer in rahmengenähter Machart hergestellt, da das Leder – durch die Gerbung bedingt – sehr ölig und fettig ist. Durch den durch die Machart bedingten höheren Verkaufspreis ist daher letztlich auch nur die Verwendung hochwertiger Materialien sinnvoll.
Die Vorteile von Leder, das viele für den Schuh essentiell wichtige Eigenschaften in EINEM Material vereint, sind auch heute unter Fachleuten nach wie vor unbestritten. Während bei geklebten Schuhen meist Pappe, und Kunststoffe verwendet werden, bestehen genähte Schuhe meist aus Leder, spätestens in gehobenen Preiskategorien.
Herstellung: Neben der Anschaffung zusätzlicher Maschinen erfordert die genähte Herstellung (wie auch deren Reparatur) gegenüber der geklebten Machart viele weitere Arbeitsschritte. Selbstverständlich ein entscheidender Kostenfaktor. Der Hersteller genähter Schuhe landet schon allein dadurch automatisch im gehobenen Preissegment. Das Personal ist zudem hochqualifiziert und auf komplizierte (und zum Teil sehr alte aber unersetzbare) Maschinen eingearbeitet.
Das Ergebnis ist auch heute noch ein kleines technisches Konstruktions-Wunderwerk.
Als Turnschuhtragender 15-jähriger habe auch ich mich gefragt, was an genähten, harten Lederschuhen so besonders sein soll. Doch wer Sie mal längere Zeit getragen hat, weiß, das der Tragekomfort jedem billigeren weichen „Geklebten“ vorzuziehen ist und im Wortsinn: überdauert.
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