Laufen & Gesundheit

„Innerhalb einer Million Jahre legten wir den Weg von der Steinaxt zur Mondrakete zurück – die gesamte moderne Technik nahm ihren Anfang mit dem bescheidenen Akt des Aufrichtens auf zwei  Beine.”

Desmond Morris aus „Das Tier Mensch”, 1994.

Der deutsch-amerikanische Professor, Zoologe und Ultralangstreckenläufer Bernd Heinrich stellte fest, dass der Mensch als „Ausdauerräuber“ seine Beutetiere buchstäblich zu Tode hetzte. Pfeil und Bogen waren also zur Beutejagd nicht zwingend nötig,  gute Kommunikation unter den Jägern sparte viele Laufkilometer. 

 

So gesehen ist der Mensch tatsächlich allen anderen Läufern überlegen, selbst Antilopen  oder unsere heimischen Rehe sind spätestens nach 30 Kilometern erschöpft. Für trainierte Menschen hingegen sind sogar 100 Kilometer oder noch mehr im Bereich des Möglichen. 

 

 Einen weiteren evolutionären Vorteil bildeten die vielen Schweißdrüsen des Menschen, davon die meisten am Fuß.  Kein anderes Tier verfügt über eine derart luxuriöse Wasserkühlung, deswegen springt Ihr Hund Ihnen im Winter voraus, aber im Sommer hechelt er Ihnen hinterher. Gerade heiße Tage erleichterten also die Jagd.

 

Biomechanisch ist unsere Form der Fortbewegung hinsichtlich der Hebelwirkungen in Fuß und Beinen so außergewöhnlich effizient, das wir verhältnismäßig wenig Energie verbrauchen. 

Am 20. Juli 1969 fotografierte Buzz Aldrin seinen Fußabdruck auf dem Mond, um die Bodenmechanik der Mondoberfläche zu untersuchen. Im Laufe der Zeit entwickelte dieses Foto sich zum Synonym für die Eroberung des Weltraums durch den Menschen.  Bild: NASA.

Am 20. Juli 1969 betrat Buzz Aldrin als zweiter Mensch den Mond und fotografierte seinen Fußabdruck.

Im Laufe der Zeit entwickelte dieses Bild sich zum Synonym für die Eroberung des Weltraums durch den Menschen.  

Foto: NASA

Bedeutung des Laufens

Als gelernter Schuhmachermeister beschäftigen wir uns von Berufswegen mit dem Laufen und den damit verbundenen Problemen. Um diese zu verstehen, stellen wir Ihnen hier einmal die Ursprünge unserer – wie sich zeigen wird – sehr speziellen Fortbewegungsmethode vor.

Seit 1 Millionen Jahren laufen wir aufrecht. Das hat uns enorme evolutionäre Vorteile verschafft.

Da uns das Laufen auf zwei Beinen nicht angeboren ist, müssen wir es erstmal mühsam erlernen. Auf den Erfolg sind wir noch heute sowas von stolz, das unsere Eltern und Verwandten die ersten Schritte immer noch mit überschwänglichem Beifall feiern.

 

Zu Recht, denn für den Menschen waren und sind die ersten Schritte tatsächlich eine große Leistung. Stehen oder Laufen stellt unseren Bewegungsapparat vor einige Probleme. Schon das Stehen und das Halten des Gleichgewichts fordert uns einiges an Übung und Geschicklichkeit ab. 

 

Das ist kein Wunder, denn das Laufen ist für den menschlichen Bewegungsapparat überhaupt nicht selbstverständlich. Speziell unsere Füße sind ursprünglich gar nicht für das Laufen entwickelt.


Den ursprünglichen Verwendungszweck unserer Füße können wir heute beim Zoobesuch im Affenkäfig  beobachten.

 

Läuft ein Affe wie ein Mensch mit aufrechtem Oberkörper über den Boden, legt er dabei nur kurze Strecken zurück. Untersuchungen beim Bonobo kamen auf gerade mal 2% aufrecht laufende Fortbewegung. Den Rest der Strecke hangelt er sich lieber von Ast zu Ast.

 

Ein Gibbon-Affe kann hierbei die Geschwindigkeit eines galoppierenden Pferdes erreichen. Die Vorteile des aufrechten Ganges liegen also nicht in der Geschwindigkeit.

 

Title: A Journey to Ashango-Land: and further penetration into Equatorial Africa Author: DU CHAILLU, Paul Belloni. Shelfmark: "British Library HMNTS 010096.ee.65." Page: 131 Place of Publishing: London Date of Publishing: 1867 Issuance: monographic Identi

Seine Füße setzt der Affe auch heute fast so differenziert wie seine Hände ein. Aufbau und Zusammenspiel der Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder des Fußes des Menschen sind auch heute noch dem Aufbau der Hand sehr ähnlich. Wie die Hand war unser Fuß grundsätzlich ein Greiforgan, der Muskelaufbau im Vorfuß war auf Zugbelastung, nicht auf Stoßbelastung eingerichtet.

Röntgenaufnahme des menschlichen Fußes

Also gar nicht mehr Laufen?

Denken Sie bitte nicht, der Schuster Baumbach rät hier ganz offiziell vom Laufen ab. Natürlich nicht, denn Jahrhunderttausende langes Laufen hat unsere Füße und den gesamten restlichen Bewegungsapparat an diese Belastung sehr gut angepasst. Im Gegenteil, nur die wenigsten könnten Ihre tägliche Strecke heute noch von Ast zu Ast schwingend zurücklegen. Nicht nur mangels Bäumen.

 

Wir hoffen, Sie können können durch das vorangesagte besser einordnen, warum nach langem Gehen oder Stehen früher oder später alle Füße schmerzen. Im Gegenteil. Es hat lange gebraucht, das die Füße erst am Abend schmerzen.

Mit Übung und besserem Schuhwerk kann man diese Schmerzen lindern. Sie können und sollten so viel und so oft wie möglich laufen, denn dafür gibt es weitere, gute Gründe:


Wer rastet, der rostet. 

Grobgesagt bildet der Körper alles zurück, was längere Zeit nicht verwendet wird. Wer krankheitsbedingt einmal 6 Wochen ruhiggestellt war, hat das erlebt. Daher ist ständige Bewegung  so wichtig,  und weniger aber öfter ist hier mehr als selten aber dafür zuviel. Laufen ist Bewegung, Bewegung benutzt Muskeln und Bänder und verbraucht Energie. Messbar in Kalorien. Um dem Rosten entgegenzuwirken, können Sie die tollsten Sportarten ausüben. Sportarten, die der Mensch Jahrhunderttausende lang garantiert nicht oder höchstens beim Anblick eines Säbelzahntigers ausgeübt hat. 

Laufen ist gut, aber mit der Geschwindigkeit steigt auch die Verletzungsgefahr.

Sie können also eine halbe Stunde bei vollem Tempo Joggen oder 1½ Stunden flott Fahrradfahren. Laufen ist gut, aber mit der Geschwindigkeit steigt auch die Verletzungsgefahr. Sie können also auch 2 Stunden gemütlich Wandern. Der Kalorienverbrauch ist in etwa derselbe. 

 

Wenn man die Anatomie und den Umstand bedenkt, das beim Joggen mehr als das dreifache Körpergewicht auf die Knochen und Gelenke wirkt, beim Wandern aber nur das 1,5-fache, empfiehlt sich - gerade bei einem Körpergewicht von 80 kg oder mehr - doch mehr das Gehen. Denn hier ist die Belastung für Knochen und Gelenke viel geringer.

 

Noch schöner ist es, eine Wandertour von mindestens vierstündiger Dauer zu planen und ein leckeres Picknick im Rucksack zu verstauen. Denn es gibt in unserer Gegend zuhauf schöne Wanderwege, die nach 2 Stunden auch noch ein schönes Plätzchen zum Verweilen bieten. Fernab vom Trubel kann man dann auch ruhig ein paar Kalorien zu sich nehmen.

Wandern ist wichtig

 

Positive Physische Effekte des Wanderns auf

  • das Immunsystem: Regelmäßige Bewegung stärkt das Immunsystem und verringert so die Anfälligkeit an Infektionskrankheiten zu erkranken
  • die Insulinzellen: Durch Bewegung vermehrt sich die Anzahl körpereigener Insulinzellen. Dabei sind längere Belastungen mit niedriger Intensität, wie sie das Wandern darstellt, kurzen Belastungen mit hoher Intensität vorzuziehen
  • die Atemwege: Regelmäßiges Wandern führt zur Vergrößerung des Atemzugvolumens und der Lungenvitalkapazität. Dies hat eine tiefere, regelmäßigere Atmung, eine geringere Atemfrequenz und eine bessere Durchblutung der Lunge zur Folge (vgl. Morris/Hardman 1997).
  • das Alter: Regelmäßiges Gehen bewirkt eine Verbesserung der Kraftausdauer und neuromuskulären Koordination, verringert das potentiell höhere Sturzrisiko von Älteren und steigert die Leistungsfähigkeit, Mobilität und Fitness.
  • das Körpergewicht: Wandern verbraucht zusätzliche Kalorien.
  • die Muskulatur: Wandern  baut bei Ungeübten  zusätzlich Muskulatur auf. Allerdings nicht viel, die effiziente Fortbewegung setzt dem schnell ein Ende, es empfehlen sich Ausgleichssportarten.
  • die Verdauung: Sie leiden unter einem trägen Darm? Egal wo in Ihrer Wohnung die Toilette ist, stellen Sie sich vor, sie ist immer 15.000 Schritte entfernt. Die genaue Zahl der Schritte ist medizinisch (noch) nicht belegt, das aber das Laufen die Peristaltik unterstützt ist gesichert.

 

Positive Psychische Effekte des Wanderns auf

  • Wohlebefinden: Wandern verstärkt durch die langandauernde Belastung die Produktion körpereigener Hormone und Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin. Damit verstärken sich Gefühle des Wohlbefindens und Glücks, negativen Stimmungen wie Trauer und Ärger werden reduziert.
  • Stress: Kontinuierliche körperliche Belastung reduziert akuten Stress, verstärkt die Stressresistenz, reduziert die Produktion des Stresshormons Kortisol und erleichtert die Stressbewältigung.
  • Depression: Teilweise erreicht die antidepressive Wirkung des Wanderns die von einschlägigen Medikamenten und psychotherapeutischen Behandlungsmethoden (vgl. Blumenthal et al. 1999).

 

Kognitive Effekte des Wanderns

 

"Gemessen an Tieren gleicher Größe, gibt es keine effizientere Fortbewegungsart", stellt der britische Biomechaniker Robert McNeill Alexander fest. Unser Forbewegunsapparat nutzt die Energie so effizient, das wir für einen Kilometer in der Ebene genau so viel mechanische Energie benötigen, wie für ein Stockwerk Treppen steigen. 

 

Gehen ist das Tempo, für das der Mensch gemacht ist, Biomechanik und Stoffwechsel sind auf diese Gangart ausgerichtet. Wer schneller rennt, wird schneller müde. 

 

Ganz nebenbei kommen durch neurobiologische Zusammenhänge wohltuende Effekte auf unsere Hirnleistung zum Tragen. So nimmt die Durchblutung des Gehirns bei geringen Gehbewegungen zu, der altersbedingte Abbau von Nervengewebe wird verlangsamt. 

 

"Ich kann nur im Gehen denken", schrieb Jean-Jacques Rousseau in seinen Bekenntnissen, "sobald ich stehen bleibe, denke ich nicht mehr, mein Kopf arbeitet nur mit den Füßen gleichzeitig."  Das Einstein sogar erste Ideen für seine Relativitätstheorie Schritt für Schritt beim Spazierengehen ersann, können Sie in diesem lesenswerten Artikel in der Zeit nachlesen...

 

 

 

©Text: Andreas Baumbach 2015

Bilder: British Library / Flickr

 

Weiterführende Links:

ZEIT online - Schneller als die Antilope 21.4.2005

Wasseraffen-Theorie

Wandern und Gesundheit: Deutsches Wanderinstitut

Wandern und Abnehmen: Fit for Fun