Schuhmacherhandwerk in Wiesbaden: Zahlen & Fakten

DIESE SEITE BEFINDET SICH NOCH IN DER ÜBERARBEITUNG.

In Wiesbaden ging die Zahl von 249 Betrieben im Jahre 1929 in den 1960er Jahren auf 220 Betriebe zurück. In 30 Jahren also gerade mal um 10 Prozent. Weitere 30 Jahre später aber um 90 % auf 22 Betriebe. Auf gleicher Fläche arbeiten heute noch 6 Betriebe. Wie konnte es zu einem solchen Kahlschlag kommen?

 

Das hat mit den stark frequentierten Schlagworten Globalisierung, Nachhaltigkeit, Fairtrade, Ressourcenschonung, nachwachsenden Rohstoffen, Umweltschutz, Umweltverschmutzung, Wegwerfgesellschaft und vielem mehr zu tun. Als unmittelbar Betroffene wollen wir diese Themen hier mal am Beispiel Schuhe verdeutlichen.

Bei unseren Schuhmacher-Familienbildern lohnt natürlich auch ein Blick auf die Schuhe. Im Bild von 1915 sehen sie zeitgleich einen Blick auf die Frühjahr-, Sommer-, Herbst- und Winterkollektion sämtlicher Schuhhersteller von ca. 1890 bis 1930.

© Siegfied Brill / Andreas Baumbach 2014
© Siegfied Brill / Andreas Baumbach 2014

Wie zur damaligen Zeit üblich handelte es sich noch um „richtige" Schuhe, nicht um „Halb-"schuhe. Die wurden erst später üblich. Und heissen noch heute so, weil sie - im Gegensatz zu „Schuhen" - schon nach halber Strecke aufhören. Es handelt sich dabei aber nicht um halbe Sachen.

 

Von modischer Vielfalt kann hier eben keine Rede sein, die meisten Leute hatten zwei Paar Schuhe: Ein Paar gute, für den sonntäglichen Kirchgang oder besondere Anlässe, und ein Paar im schlechteren Zustand, die über den Rest der Woche getragen wurde. Die Schuhe unterschieden sich nicht weder in Farbe, Modell oder Absatzhöhe, sondern einzig durch Ihren Zustand. Getragen oder sehr, sehr häufig getragen. 

 

Nach mehreren Besohlungen verwandelte der bessere Schuh sich in den Schlechteren, der französische Ausdruck für Schuhmacher ist nicht umsonst „Altmacher". Wenn die finanziellen Verhältnisse es zuliessen, wurde dann, also nach 5- 10 Jahren, ein Paar neue Schuhe angeschafft.

 

 

Entwicklung des Schuhmacherhandwerks in Wiesbaden

Vorab möchte ich den Begriff Schuhmacher gleich zu Beginn präzisieren: Nach Erfindung der Nähmaschine im Jahre 1850 teilte sich das Schuhmacherhandwerk dabei in vier Berufsfelder auf, die davor in einem Beruf, dem des Schuhmachers, zusammengefasst waren: Schuhhersteller, Schuhverkäufer, Orthopädieschuhmacher und Schuhreparateur. Die meisten, auch früher gegründeten Schuhmachereien haben sich zu Schuhgeschäften oder Orthopädieschuhmachereien weiterentwickelt. Und einige wenige Schuhmacher gründeten sogar erfolgreiche Schuhfabriken, auch die Firmengeschichte von LLOYD, Peter Kaiser, Josef Seibel, Allen Edmonds, Church, Alden, Crockett & Jones und sogar Deichmann  geht auf einen Schuhmacher zurück. Wie man gute und auch reparable Schuhe herstellt haben die heutige Firmeninhaber sozusagen schon mit der Muttermilch aufgenommen.

 

Wenn im folgenden also vom Schuhmacher die Rede ist, dann vom Schuhmacher im heutigen Sinne, der vielleicht auch Maßschuhe macht, aber aufgrund der Einzel-Anfertigung nicht wirklich Schuhfabrik (Schuhhersteller) genannt werden kann. Der vielleicht auch Schuhe verkauft, aber aufgrund des Tätigkeitsschwerpunkts Schuhreparatur eben nicht wirklich ein reines Schuhgeschäft betreibt.

Daraus ergibt auch die erste Lektion: Älteren Schuhfabriken, Orthopädieschuhmachereien oder Schuhgeschäften geht fast immer ein besonders innovationsfreudiger, wagemutiger oder vorausschauender Schuhmacher als Gründer voraus.

 

1929 - 249 Schuhmacherbetriebe in Wiesbaden

1929 waren laut Adressbuch 249 Schuhmacherbetriebe für ca 105.000 Einwohner in Wiesbaden tätig. Ein Betrieb hatte im Durchschnitt also 400 Kunden. 

 

Mit 9 Schuhmachereien hatte die sehr lange Dotzheimer Strasse die meisten Betriebe. Aussergewöhnlich aber war die weitaus kürzere Nerostrasse:  mit 8 Schuhmachereienauf ca. 250 mtr. war sie die Strasse mit der höchsten Betriebsdichte. Im unteren Teil zur Saalgasse hin waren sogar drei Häuser mit jeweils einem Schuhmacher nebeneinader – und zwei Schuhmachern genüber. Auf 30 Strassenmeter kamen somit 5 Schuhmacher!

Quelle: Wiesbadener Adressbuch 1929


2010 -     9 Schuhmacherbetriebe in Wiesbaden

2010 zählen Wiesbadens Adressbuch und die Gelben Seiten noch 9 Schuhmachermeister- und Schuhreparaturbetriebe, davon nur noch 3 auf der Fläche von ehemals 249 (Voll-)Schuhmachereien. Weitere 3 Betriebe bieten im Gegensatz zu früher noch zusätzlich Schlüsselanfertigung, Gravuren und ähnliches an. Bei rund 280.000 Einwohnern kommen somit rechnerisch 31.000 Einwohner auf einen Betrieb.

Schuster bleib bei deinem Leisten

Dabei ist es für manche vielleicht sogar eine Frage der Sichtweise, dies als Erfolg zu werten. Die meisten, auch früher gegründeten Schuhmachereien haben sich zu Schuhgeschäften oder Orthopädieschuhmachereien weiterentwickelt. Und einige wenige Schuhmacher gründeten sogar erfolgreiche Schuhfabriken, auch die Firmengeschichte von LLOYD, Peter Kaiser, Josef Seibel, Allen Edmonds, Church, Alden, Crockett & Jones und sogar Deichmann  geht auf einen Schuhmacher zurück. Wie man gute und auch reparable Schuhe herstellt haben die heutige Firmeninhaber sozusagen mit der Muttermilch aufgenommen.