Bei rahmengenähten Schuhen ist die richtige Reparaturtechnik entscheidend – nur sie erhält die ursprüngliche Machart und den konstruktiven Aufbau des Herstellers und sichert so die Langlebigkeit des Schuhs.
Warum ersetzen wir die alte Ledersohle komplett durch eine neue? Und warum ist das so wichtig?
Der rahmengenähte Schuh verfügt über einen komplexen Aufbau. Im wesentlichen verfügt er im Sohlenaufbau über zwei Nähte, nicht nur eine:
Die Einstechnaht (Goodyearnaht):
Diese namensgebende Naht verbindet Oberleder, Brandsohle und Rahmen – und hält den Schuh auch dann noch zusammen, wenn sich die Laufsohle löst. Sie liegt geschützt im Inneren
des Schuhes und lässt sich nur bei vollständige entfernter Sohle prüfen.
Die Doppelnaht (Rapidnaht):
Diese zweite Naht verbindet den Rahmen mit der äußeren Ledersohle. Sie ist sichtbar im Sohlenrand eingelassen und wird bei jeder fachgerechten
Reparatur vollständig entfernt und neu genäht – früher von Hand, heute mit der Doppelmaschine.
Das ist zwar aufwändiger und kostenintensiver als eine reine Klebung, in Verbindung mit einer dicken Ledersohle aber dafür stabiler, haltbarer
und deutlich seltener nötig.
Einige Anbieter ersetzen die durchgelaufene Ledersohle nicht vollständig, sondern belassen einige Millimeter der alten Sohle am Schuh, nähen diese alte Sohle erneut an und kleben eine - notgedrungen nun dünnere - Ledersohle auf die Reste der alten Sohle.
Diese Methode wird dann als „verdeckte Besohlung“ oder „verdeckte Naht“ bezeichnet. Klingt zunächst clever – ist aber aus handwerklicher Sicht keine vollwertige Reparatur, sondern eher eine Umarbeitung des Schuhs.
Rahmengenähte Schuhe sind ja absichtlich so konstruiert, dass die Ledersohle – meist ca. 5 mm stark – durchgehend mit Rahmen und Brandsohle vernäht ist. Diese Naht liegt vertieft in einem sogenannten „Riss“ und ist somit gegen Abrieb geschützt. Das Argument, sie müsse „versteckt“ oder „geschützt“ werden, verkennt den eigentlichen Konstruktionsgedanken.
Wird die neue Sohle stattdessen nur noch geklebt, gehen zwei zentrale Vorteile des Originals verloren: die Langlebigkeit durch Materialstärke und die genähte Verbindung.
Die bei dieser Bauweise zwangsläufig dünnere, lediglich geklebte Sohle ist weniger stabil, nutzt sich durch geringere Materialstärke schneller ab und verkürzt so die Reparaturzyklen.
Zwischen Brandsohle und Laufsohle befindet sich bei rahmengenähten Schuhen stets der sogenannte Korkausball. Er gleicht nicht nur Unebenheiten zwischen Rahmen und Innenfläche aus, er dämpft zudem den Auftritt und passt sich mit der Zeit den Belastungszonen des Fußes an.
Durch lange Tragezeiten, Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen kann der Kork jedoch brüchig werden – und seine Funktion nicht mehr zuverlässig erfüllen. Deshalb muss bei jeder Besohlung die alte Laufsohle entfernt, der Kork geprüft und bei Bedarf ersetzt werden.
Bei der „verdeckten Besohlung“ ist dieser Schritt nicht möglich: Der alte Sohlenrest bleibt am Schuh, wird sogar mitvernäht – und versiegelt dabei einen möglicherweise beschädigten Kork dauerhaft im Inneren. Im Ergebnis wirkt die neue Sohle von außen wie neu, während der Schuh innen schleichend an Funktionalität verliert.
Wer langfristig Freude an rahmengenähten Schuhen haben möchte, sollte auf eine herstellergerechte Reparatur setzen – mit intaktem Korkausball und hochwertiger Ledersohle in voller
Stärke.
So bleibt der Schuh nicht nur optisch, sondern auch funktional auf dem Niveau, für das er gebaut wurde.
Unser Prinzip: So wie es gedacht war
Wir führen Reparaturen so aus, wie es der ursprünglichen Konstruktion entspricht:
Die abgelaufene Sohle wird vollständig entfernt
Der Zustand des Korks wird kontrolliert und gegebenenfalls ersetzt
Es wird eine langlebigere neue Ledersohle gleicher Stärke aufgedoppelt – vernäht und verklebt, wie es sich für rahmengenähte Schuhe gehört
So bleibt der Schuh nicht nur schön, sondern auch funktional, reparaturfähig und langlebig – wie es sich für gutes Schuhwerk gehört. Denn eine hochwertige Sohlenreparatur kontrolliert auch „die inneren Werte" und stellt den ursprünglichen Originalzustand des Schuhes wieder her.
Die größte Belastung beim Gehen und Stehen liegt meist im Bereich des Ballens und der Längsgewölbestütze – oft also ungefähr in der Mitte der Sohle. Dort nutzt sie sich am schnellsten ab.
Eine abgelaufene Sohle (rot) nutzt sich in der Regel ungleichmäßig ab – vorwiegend in der Mitte, wo die Hauptbelastung liegt. Daher ist es auch aus anatomischen Gründen wichtig, die komplette abgelaufene Sohle zu ersetzen. Wird die alte Sohle nicht mindestens bis zum Gelenk entfernt, der vorhandene Ausball nicht bei Bedarf ersetzt, fehlt dem Fuß trotz neuer Sohle – besonders bei Belastung – eine ebene Auftrittsfläche.
Wird die Sohle dagegen nur teilweise ersetzt oder überklebt, kann eine ungleichmäßige Fläche entstehen. Dies kann das Risiko für Fehlbelastungen im Vorfuß und Beschwerden wie Spreizfuß oder Metatarsalgie erhöhen.
Das gilt übrigens für alle Schuhe mit unebenen, abgelaufenen Sohlen – nicht nur für rahmengenähte.
Gerade rahmengenähte Schuhe bieten auch hier sogar einen entscheidenden Vorteil: Kein anderes Konstruktionsverfahren ermöglicht es, den Sohlenaufbau nach starker Abnutzung so präzise, funktional und langlebig wiederherzustellen. Die Konstruktion mit Rahmen, Einstechnaht, Korkausball und genähter Sohle erlaubt eine vollständige Erneuerung der Lauffläche – inklusive Kontrolle und Anpassung der tragenden Zwischenschichten.
Was bei anderen Konstruktionen - gerade bei Sneakern mit fantasievollen Sohlenformen - oft kaum erkannt oder überarbeitet werden kann, lässt sich bei rahmengenähten Schuhen fachgerecht instand setzen – Schicht für Schicht. So entsteht wieder eine ebene, stabile und auf Belastung ausgelegte Sohleneinheit, die dem Fuß dauerhaft Halt und Komfort bietet.
Eine schlecht ausgeführte Sohlenreparatur ist von einer richtig ausgeführten Sohlenreparatur vom Laien mit einem Blick auf die Sohle allein kaum zu unterscheiden.
Die wesentlichen Unterschiede spielen sich aber im Inneren des Schuhes ab. Eine abgelaufene Sohle bietet dem Fuß keine ebene Auftrittsfläche mehr. Dies macht sich insbesondere beim Tragen schwerer Lasten oder hohem Körpergewicht bemerkbar, da eine Fehlstellung des Quergewölbes begünstigt wird.
Unsere Neubesohlung beachtet diese anatomische Anforderungen und erneuert die Sohle wieder zu einer ebene Fläche in der vom Hersteller vorgesehenen Originalstärke.
GENÄHTE LEDERSOHLE IN VOLLER STÄRKE
Der Fuß hat wieder eine ebene Auftrittsfläche.
AUFGEKLEBTE DÜNNERE LEDERSOHLE
Die alte Sohle, oft in der Mitte durchgelaufen, wurde nicht komplett entfernt. Auch der Ausball kann so nicht kontrolliert oder ausgetauscht werden. Das spart Arbeitszeit.
Die neue Sohle (rot) oft dünner als die Originalsohle und ist dadurch auch weniger lange haltbar. Das spart Materialkosten. In einigen Fällen sind alte und neue Sohle zusammen sogar dicker als zuvor, obwohl die neue Laufsohle nun dünner ist.
Die Klebung kann sich lösen, die Laufsohle ist allerdings nicht mehr zusätzlich durch eine Naht mit dem Schuh verbunden.
Trotz neuer Sohle hat der Fuß keine ebene Auftrittsfläche.
Der Schuh wurde "umgearbeitet", er ist nunmehr kein rahmengenähter Schuh mit angenähter Sohle.
Eine hochwertige Reparatur lässt sich ohne Qualitätseinbußen beliebig oft (auf Wunsch führen wir auch handgedoppelte Sohlenreparaturen durch) wiederholen, ohne Schäden am Schuh zu verursachen. Die biomechanischen Eigenschaften bleiben erhalten.
Nur diese Vorgehensweise bietet Ihrem Fuß immer wieder eine optimale, ebene Auftrittsfläche.
Diese Mehrarbeit macht unsere Sohlenreparaturen aufwändiger und teurer, allerdings zum Wohle Ihrer Schuhe und Ihrer Gesundheit.
Ein gesunder Fuß verteilt die auf ihn wirkende Last dynamisch auf Ferse und Fußaußenseiten. Der Hauptanteil des Gewichts liegt beim Stehen und Gehen auf Ferse, Klein- und Großzehballen.
Der durch Bänder und Muskeln gehaltene Spannungsbogen zwischen Kleinzeh- und Großzehballenpunkt wird in der Biomechanik als Quergewölbe (blaue Linie) bezeichnet.
Ein abgesenktes (kontraktes) Quergewölbe wird als Spreizfuß (Pes transversoplanus) bezeichnet. Unter dauerhafter Fehlbelastung bildet der Spreizfuß Schwielen unter dem zweiten und dritten Mittelfußknochen, die bei Belastung Schmerzen verursachen können.
Dieser Schuh wurde „suboptimal” besohlt. Die gegenüber der Originalsohlenstärke weitaus dünnere „Lederschutzsohle” ist auch in kürzerer Zeit wieder durchgelaufen. Dennoch wird die gesamte Sohle gegenüber dem Original optisch immer dicker, da sie nur auf die alte Sohle draufgeklebt wird. Dicker wird der Schuh aber nur aussen. In der Mitte der Sohle ist die Sohle trotz „Reparatur“ sogar dünner als im originalen Neuzustand. Der Schaden wurde also nicht behoben, das Loch wurde nur überdeckt.
Je öfter ein Schuh auf diese Weise repariert wird, desto schlechter und ungesünder werden die Trageeigenschaften dieses Schuhs.
Der Fuß steht nie wieder auf einer ebenen Auftrittsfläche.
Der Fuß senkt sich bei Belastung trotz neuer Sohle in der Mitte durch.
Durch die geringere Materialstärke wird vorzeitig die nächste Besohlung nötig. Auf die Tragzeit einer korrekten Reparatur ist diese Reparatur mitunter auch noch teurer als eine korrekte Reparatur.
Wir geben uns auch in der Materialwahl mehr Mühe, greifen zu Ihren Gunsten etwas tiefer in die Tasche und verarbeiten nur hochwertiges Sohlenleder aus europäischer Herkunft. Denn die Verwendung schlechter Materialien ist – trotz billigerer Preise – auf die gesamte Laufzeit gesehen unrentabel.
Das folgende Zitat wird - unbelegt und dennoch zu Recht - John Ruskin zugeschrieben und fasst das bisher gesagte nach wie vor hervorragend zusammen. Wer weiß, vielleicht hat Herr Ruskin sich tatsächlich über eine schlechte Schuhreparatur geärgert?
Es gibt kaum etwas auf dieser Welt,
das nicht irgend jemand ein wenig
schlechter machen und etwas billiger
verkaufen könnte, und die Menschen,
die sich nur am Preis orientieren,
werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber
es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen.
Wenn Sie zu viel bezahlen,
verlieren Sie etwas Geld, das ist alles.
Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen,
verlieren Sie manchmal alles, da der
gekaufte Gegenstand die ihm
zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es,
für wenig Geld viel Wert zu erhalten.
John Ruskin
(1819-1900), engl. Schriftsteller, Kunstkritiker u. Sozialphilosoph
© Andreas Baumbach
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